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Unsere Geschichte: wie wir wurden, wer wir sind.

Die Geschichte des Ortes Loipersbach und der evangelischen Pfarrgemeinde, zusammengefasst von Prof. Michael Floiger

  1. Das evangelische Loipersbach: Der Ursprung der Besiedelung

Loipersbach wurde 1225 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort hat im Norden Anteil an der urgeschichtlichen Kulturlandschaft. In der Jungsteinzeit bestand an der östlichen Hottergrenze, an der Straße Richtung Schattendorf, eine Dorfsiedlung.Im benachbarten Hadspitzwald liegen zahlreiche hallstattzeitliche Hügelgräber.Aus der Römerzeit wurde nahe der Ortsgrenze Loipersbach-Rohrbach eine „villa rustica“, ein römischer Gutshof, ausgegraben. Solche Gutshöfe gab es auch in Agendorf und Schattendorf. Die frühmittelalterliche Besiedelung und Rodungstätigkeit geschah vermutlich durch eine altslawische Siedlergruppe, die ihre Höfe in der heutigen Waldgasse anlegten. Hierfür sprechen zwei Flurnamen: Tschurken (von Csurak = Gerinne) und Loosfeld (von Loza = Wald). Im 12. Jahrhundert erfolgte die Anlage eines deutschen Kolonistendorfes. Es wurde wahrscheinlich von einem Luitpold (Leopold) gegründet, der bayrischer Herkunft war. Entsprechend heiß der Ort in der ersten urkundlichen Erwähnung „Lupoltsbach im Wald“ Die neu entstandene Straßendorfsiedlung umfasste etwa 12 bis 16 Höfe entlang der heutigen Hauptstraße. Die angesiedelten Bauern rodeten weitere Waldstücke und legten nach der damals fortschrittlichen Methode der Dreifelderwirtschaft drei Großfelder an, die man in der heutigen Flureinteilung noch erkennen kann. Grundherr des Ortes war der Kreuzritterorden der Johanniter, der in Sopron/Ödenburg eine Niederlassung hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Das evangelische Loipersbach:

Die mittelalterliche Kirche am Friedhof

Einen ersten urkundlichen Beleg für eine „Kirche am Berg“ gibt es aus dem Jahr 1481. Das Peters-Pauls-Patrozinium dieser Kirche könnte darauf hindeuten, dass es sich bei ihr um eine karolingische Missionskirche der altslawischen Bevölkerung am Zeiselbach (heute Aubach) handelte. Die Bezeichnung der damaligen Bevölkerung „Suslani“ bedeutet „Die Leute vom Zeiselbach“. Somit könnte es sich bei der Kirche in Loipersbach neben Marz um eine der ältesten Pfarren der Region Mattersburg-Ödenburg handeln. Wie im Mittelalter üblich, wurden die Toten rund um die Kirche bestattet. Dieser Friedhof war von einer Steinmauer umgeben. In einem Visitationsbericht des Jahres 1674 wird die Kirche so beschrieben: Sie hat einen gewölbten Altarraum, ein flach gedecktes Kirchenschiff und eine einfache Kanzel. Angeblich wurde diese Kirche Ende des 18. Jahrhunderts abgebrochen. An die alte Kirche erinnern noch die Flurnamen „Peterer“ (nach dem Peter-Pauls-Patrozinium der Kirche), „Kirpeln“ (= Kirchbühel) und die Wegbezeichnung „Kirchsteig“. Im Jahre 1525 wird erstmals ein Pfarrer, ein „Herr Lasla“ erwähnt.

 

3. Das evangelische Loipersbach:

Die Grundherren, die „Burg“ und die alte Martinskirche im Dorf

Im Jahre 1466 wurde im Dorf, im Bereich der heutigen römisch-katholischen Kirche, eine neue Kirche gebaut. Die alte Kirche am Friedhof wurde aber wahrscheinlich als Begräbniskirche weiter benützt. Die neue Kirche war dem Hl. Martin geweiht. Unter den im Laufe der Geschichte wechselnden Grundherren blieb Loipersbach immer eine selbständige katholische Pfarrgemeinde.

Loipersbach war zunächst im Besitz der Johanniter-Kreuzritter. Diese verkauften das Dorf an die Kleinadelsfamilie der „Agendorfer“, die als Patrizier in Ödenburg ansässig waren. Große Teile des Dorfes gelangten später in die Hände der Tombeck (Thannpeck) von Karlburg (Oroszvár, heute Rusovce).

Im Spätmittelalter wurde die Siedlung Klettenbach am Marzer Kogel aufgegeben und auf die umliegenden Ortschaften aufgeteilt. Loipersbach erhielt damals den wohl wertvollsten Teil: die Weingärten am Südhang des Kogelberges.

Eine „Burg“ (damals ein hölzerner Wehrturm mit Palisaden) ist zwar urkundlich nicht belegt, aber aufgrund der Flurnamen sehr wahrscheinlich. Es gibt einen „Burgstall“ (= Burgstelle), daneben die Flur Hofstatt, kleine Parzellen am Rande des Burgstalles und eine Mühle. Auch die Bezeichnung „Stadtgraben“ am nördlichen Rande des Dorfes spricht für eine mit einem Graben gesicherte Anlage im Anschluss an den Burgstall.

 

4. Das evangelische Loipersbach: Loipersbach wird Stadtdorf von Ödenburg. Erste evangelische Pfarrer

Im Jahre 1547 wurde Loipersbach eines von acht Stadtdörfern der königlichen Freistadt Ödenburg. Die Stadt schloss sich in den 1560-er Jahren der Reformation an und setzte auch in den Dörfern evangelische Prediger ein. Loipersbach wurde eine Tochtergemeinde von Agendorf, hatte also keinen eigenen Pfarrer. In der Martinskirche im Ort wurden nun evangelische Gottesdienste gefeiert. Unter Pfarrer Erasmus Fellner (bis 1586) wurde auch die Bevölkerung evangelisch. Vorübergehend wurden Anfang des 17. Jahrhunderts die evangelischen Pfarrer vertreiben und für die Pfarrgemeinde Agendorf-Loipersbach wieder katholische Pfarrer eingesetzt. Nach dem Wiener Frieden von 1606 konnten die evangelischen Pfarrer aber zurückkehren. Unter Pfarrer Christoph Schwaiger wurde die Martinskirche vergrößert. Sie wird als schmal, aber lang, mit einem gewölbten Altarraum, einem flach gedeckten Kirchenschiff und einem kleinen Turm beschrieben. Am längsten wirkte in dieser Zeit der gebürtige Kärntner Karl Paumgartner in der Pfarrgemeinde.

 

5. Das evangelische Loipersbach: Loipersbach als selbständige evangelische Pfarrgemeinde und Zufluchtsort für die Evangelischen der Umgebung

Nach 1662 wurde Loipersbach eine selbständige evangelische Pfarrgemeinde inmitten einer Region, die von allen Seiten insbesondere durch die Fürsten Esterhazy unter schärfstem Katholisierungsdruck stand.  Aus nahezu allen Orten der Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt waren die evangelischen Lehrer und Pfarrer bereits vertrieben. Vielfach hing die Bevölkerung aber noch dem evangelischen Glauben an. Die Martinskirche in Loipersbach entwickelte sich zum Zufluchtsort für die bedrängten Evangelischen. Um diese Evangelischen, insbesondere auch aus Walbersdorf und Pöttelsdorf zu betreuen, wurde Loipersbach 1661/2 von der Muttergemeinde Agendorf gelöst und zur selbständigen evangelischen Pfarrgemeinde erhoben. Erhalten geblieben ist aus dieser Zeit das von Pfarrer Georg Müller 1662 begonnene Taufbuch. In ihm sind Taufen Evangelischer aus der gesamten Umgebung verzeichnet. Taufpaten kamen auch aus Orten wie Zemendorf, Mattersburg und Marz, die damals eigentlich bereits wieder als „katholisch“ galten. Pfarrer Matthias Rosner, ein Ödenburger Bürgerssohn, vollzog zwischen 1662 und 1664 in knapp zwei Jahren 63 Taufen. Sein Nachfolger war Hieronymus Christoph Foman (Fohmann), „gewester zu Kobels- und Weppersdorf, nun aber vertriebener und verfolgter Diener Christi“. Er wurde im Frühjahr 1673 aus seinem Amt in Loipersbach vertrieben.

 

6. Das evangelische Loipersbach: Gewaltsame Rekatholisierung

Im Jahre 1673 wurde der evangelische Pfarrer aus Loipersbach vertrieben. Der Gemeinde in Loipersbach wurde ein katholischer Pfarrer präsentiert. Richter und Rat von Loipersbach weigerten sich jedoch, den ihnen präsentierten katholischen Geistlichen anzunehmen. Sie wurden deshalb bis zum 30. April 1673 in Kroisbach eingekerkert. Die St. Martinskirche wurde gewaltsam aufgebrochen und katholisch geweiht. Die Stadt Ödenburg als Herrschaft bekam darüber hinaus eine sehr hohe Strafzahlung auferlegt. Um sie bezahlen zu können, wurden Loipersbach und Klingenbach an den Bischof von Raab (Györ) verpfändet. Dieser gab das Dorf an die Jesuiten aus Güns (Köszeg) weiter. Erst 21 Jahre später konnte die Stadt Ödenburg ihre beiden Dörfer wieder auslösen.

Im Jahre 1683 wurde zusammen mit dem ganzen Ort auch die St. Martinkirche von den Tataren zerstört. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde getötet oder verschleppt.

Mit dem Jahre 1673 wurde Loipersbach außerdem wieder der katholischen Gemeinde in Agendorf als Filiale angeschlossen. Alle kirchlichen Handlungen mussten vom katholischen Pfarrer durchgeführt werden. Bis 1781, also mehr als einhundert Jahre, gab es kein evangelisches Gemeindeleben. Trotzdem überlebte der evangelische Glaube bis zum Toleranzpatent.

 

7.  Das evangelische Loipersbach: Loipersbach als Filiale der katholischen Pfarrgemeinde Agendorf. Die heutige katholische Kirche

Ein Visitationsbericht des Jahres 1713 beschreibt die 1683 von den Tataren zerstörte St. Martinskirche als nur sehr notdürftig repariert. Sie wurde deshalb im Jahre 1797 als katholische Filialkirche von Agendorf im spätbarocken Stil neu gebaut. Im Jahre 1870, während des großen Dorfbrandes, wurde auch diese Kirche ein Opfer der Flammen. Ihre Inneneinrichtung, das Altarbild, die Orgel und die Bänke konnten aber anscheinend gerettet werden. Sie wurden in die neue Kirche übernommen. Der Neubau der Kirche wurde finanziell von der Diözese Raab (Györ) unterstützt. Heute ist die Kirche den Aposteln Petrus und Paulus geweiht. Sie wird von der katholischen Pfarrgemeinde Schattendorf liebevoll betreut und es werden in ihr regelmäßig Messen gefeiert. Als ein besonderes Kleinod ist in ihr ein Altarbild von Stephan Dorfmeister (1729 Wien – 1797 Ödenburg) zu bewundern.

 

8. Das evangelische Loipersbach: Die Toleranzgemeinde – Loipersbach als Teil der Pfarrgemeinde Agendorf

Das Toleranzpatent Josefs II. ermöglichte 1781 die Gründung evangelischer Pfarrgemeinden, vorausgesetzt, es fanden sich 100 evangelische Familien zusammen. In Loipersbach lebten damals rund 450 evangelische Personen, in Agendorf 900 und in Wandorf 600. Diese drei Gemeinden beschlossen die Gründung einer gemeinsamen Pfarrgemeinde. Die Gründung wurde aber zunächst von den zuständigen Komitatsbehörden unter Hinweis auf die Nähe der evangelischen Kirche in Ödenburg verweigert. Erst durch eine Petition, die sich direkt an den König wandte, wurde die Gründung der Pfarrgemeinde am 6. September 1783 erlaubt. Noch am gleichen Tag wurden Matthias Harnwolf als Pfarrer und Johann Ehnl als Kantorlehrer berufen. Schon am 7. September wurde der erste Gottesdienst in einem Garten gefeiert. Ein gemeinsames Bethaus wurde 1785 in Agendorf feierlich eingeweiht. In Loipersbach wählte die Gemeinde am 12. Mai 1791 Samuel Unger zu ihrem Schulmeister und Notar. Am 13. Juni wurde er durch Pfarrer Harnwolf in sein Amt eingeführt und unterrichtete ab dem 14. Juni 45 Kinder im Gemeindehaus.

Die weiteren Pfarrer der Gemeinde Agendorf-Wandorf-Loipersbach waren:

Karl Kalchbrenner (1809-1819)

Josef Gamauf (1819-1847)

Karl Fleischhacker (1847-1893)

Edmund Scholtz (1891-1932)

 

9. Das evangelische Loipersbach: Loipersbach und Agendorf – über Jahrhunderte verbunden

Durch das Toleranzpatent, das Joseph II. 1781 erließ, wurde den Evangelische nach über 100 Jahren wieder gestattet, ihre Religion auszuüben. Die drei Dörfer Agendorf, Wandorf und Loipersbach schlossen sich daraufhin zu einer Pfarrgemeinde zusammen. Gemeinsam bauten sie das Toleranzbethaus und später die prächtige Agendorfer Kirche. Unter bedeutenden Pfarrern, etwa Johann Kalchbrenner und Karl Fleischhacker, blühte das Gemeindeleben. Im Jahre 1888 bauten die Loipersbacher eine „Turmschule“, in der auch Gottesdienste stattfanden. Treibende Kraft hinter diesem Schul-Kirchenbau war der Loipersbacher Lehrer Johann Benedek. Der letzte Pfarrer in allen drei Orte war Edmund Scholtz, der sein Amt 1893 antrat. In seine Dienstzeit fiel im Anschluss an den Friedensvertrag von Trianon 1921 die Abstimmung über den Verbleib Agendorfs bei Ungarn. Doch auch nachdem Loipersbach und Agendorf von 1921 an durch eine Staatsgrenze getrennt waren, bestand die gemeinsame Pfarrgemeinde zunächst fort. Erst 1932 wurde Loipersbach wieder zu einer eigenständigen Pfarrgemeinde. Die engen, oft familiären Beziehungen zwischen beiden Gemeinden bestanden aber weiter und endeten erst 1946 durch die Vertreibung des Großteils der deutschen evangelischen Bevölkerung aus Agendorf im Zuge des II. Weltkriegs. Seit 2007 besteht zwischen beiden Pfarrgemeinden ein Partnerschaftsvertrag.

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